Die Nürnberger Rassengesetze sollten in allen bis dahin noch bestehenden Verbindungen rigoros durchgesetzt werden. Die Verwandtschafts- und Abstammungsverhältnisse mußten in jeder Verbindung per Fragebogen abgefragt werden. Jede Verbindung mußte in Folge nicht nur alle Juden, sondern auch alle „jüdisch versippten“ Nichtjuden, mit „Halb-“ und „Vierteljüdinnen“ verheiratete Mitglieder ausschließen und darüber Vollzug melden. Zuwiderhandlungen führten zur Einstufung als „nicht-arische Organisation“, der kein Student angehören durfte.
Betroffene Verbindungen versuchten es zum Teil mit Anträgen auf Ausnahmeregelungen und Verzögerungstaktik. Viele der betroffenen Alten Herren traten freiwillig aus, um der eigenen Verbindung nicht zu schaden. Aber die Convente akzeptierten das oft nicht, so dass ihnen nur noch die freiwillige Einstellung des Aktivenbetriebes (Suspension) übrig blieb.
Hier zeigte sich das Konfliktpotential zwischen traditionellen Verbindungsidealen und der nationalsozialistischen Ideologie. Es gab eine Reihe von theoretischen Konfliktpunkten:
Demokratieprinzip: Trotz der seit 1871 allgemein konservativen Ausrichtung verankerten die Convente die demokratische Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen in den Verbindungen. Das widersprach dem Führerprinzip, das die Nationalsozialisten nun durchsetzten.
– Lebensbundprinzip: Obwohl die meisten Verbindungen schon seit 1880 keine Juden mehr als Neumitglieder aufgenommen hatten, blieben ihnen viele „Alte Herren“ jüdischer Herkunft verbunden. Das kollidierte nun mit dem „Arierprinzip“, das die Nationalsozialisten auf alle Alten Herren ausdehnten.
– Studentischer Ehrbegriff: Die uralte Tradition, daß jeder Student die eigene Würde zu wahren und die eines jeden anderen zu achten habe, widersprach der nationalsozialistischen Auffassung. Der individuelle Ehrbegriff wurde nun ganz der „Treue zum deutschen Volk“ untergeordnet: Ehrenhaft war, was der Volksgemeinschaft nützte, und was das war, bestimmte allein die NSDAP. Aus der Verpflichtung zur individuellen Gewissensentscheidung wurde der Kadavergehorsam.
– Couleur und Brauchtum: Als autonome Zusammenschlüsse hatten die Verbindungen im Laufe der Jahrhunderte eine große Vielfalt an kulturellen Ausdrucksformen gepflegt und weiterentwickelt. Sie dienten ursprünglich der Differenzierung der einzelnen Verbindungen untereinander und später wohl auch der elitären Abgrenzung des Akademikernachwuchses vom Rest des Volkes. Das lehnten die Nationalsozialisten ab. Sie verlangten stattdessen die völlige Eingliederung in die klassenlose Volksgemeinschaft. Studenten hatten möglichst Kameradschaftsuniform zu tragen. Das Ideal war der einheitliche „Volksgenosse“.
– Lebensfreude: Das Ausleben jugendlicher Lebensfreude in traditionellen außeruniversitären Freizeitaktivitäten widersprach nun ebenfalls der Verpflichtung gegenüber der „Volksgemeinschaft“. Die Nationalsozialisten füllten die Freizeit der Studenten mit Wehrsport und ideologischer Schulung aus.
Um den Konflikt zwischen dem Interesse an den Studenten und der Ablehnung ihrer Werte zu überbrücken, verfolgten die Nazis eine Strategie von „Zuckerbrot und Peitsche“: Botmäßigkeit wurde belohnt, Verzögerungstaktik bestraft.