Menü Schließen

Die Verbindungen mußten infolge dieser neuen Tatsachen zunächst einen relativ starken Rückgang des Anteils an Korporierten und der absoluten Mitgliedszahlen hinnehmen. Viele Verbindungen mußten sich vertagen. Einige, die bisher nur Männer aufnahmen, versuchten sich durch die Aufnahme von Studentinnen zu stabilisieren. Das gelang in einigen Fällen, in den meisten jedoch nicht. Die rückläufige Entwicklung kam erst ab 1980 zum Stillstand. Seit etwa 1985 ist wieder eine Zunahme an neuen Mitgliedern zu beobachten. Viele Verbindungen, die seit 1970 vertagt wurden, haben ihren Aktivenbetrieb wieder aufgenommen. Dabei steht meist die Traditionspflege im Vordergrund: Eine deutlich veränderte inhaltliche Ausrichtung ist eher selten zu beobachten.

2.11. Die deutsche Einheit

Nach der Wende von 1989 wurde es auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wieder möglich, die Studentenverbindungen an den Universitäten neu zu beleben. Viele Verbindungen verlegten ihren Sitz aus dem Westen erneut an alte Heimatuniversitäten wie Jena, Leipzig, Halle, Rostock, Greifswald, Dresden, Freiberg und Tharandt. Es kam dabei zu Wiedergründungen und einigen Neugründungen. Teilweise wurden neue Universitätsstädte wie Potsdam und Frankfurt/Oder für Verbindungen erschlossen. Studentenverbindungen im Gebiet der neuen Bundesländer haben damit zu kämpfen, daß ihre Tradition seit 1933, also seit über 70 Jahren, von den jeweils herrschenden politischen Systemen negativ belegt wurde. Auch fehlen die für das Verbindungsleben wichtigen Alten Herren im Umfeld einer Universitätsstadt.

2.12. Europäisierung und Globalisierung

Mittlerweile gibt es auch Bestrebungen auf europäischer Ebene mit Studentenverbindungen in anderen Ländern zusammen zu arbeiten. Ein Beispiel hierfür die der Europäische Kartellverband, ein im Jahre 1975 gegründeter Zusammenschluß von katholischen Studentenverbindungen und -vereinen. Einen anderer Ansatz wurde mit dem im November 2002 in Würzburg abgehaltenen ersten Weltkorporationstag verfolgt. Es handelte sich dabei um ein Treffen von Studentenverbindungen aus aller Welt, der mit einer gemeinsamen Entschließung endete.
Seit der Unabhängigkeit der baltischen Staaten hat sich auch eine rege Zusammenarbeit zwischen den deutsch-baltischen Verbindungen in Deutschland und den nach deutschem Vorbild gegründeten estnischen und lettischen Verbindungen in Dorpat, Riga und Reval ergeben. Gemeinsame Veranstaltungen und Aktionen haben das Ziel, die Integration des Baltikums in die Europäische Union zu fördern.
Auch die Tradition der Mensur findet Anklang bei Studentenverbindungen außerhalb des deutschsprachigen Raumes. So bemüht sich zurzeit eine flämische Studentenverbindung aus Löwen um die Aufnahme in den Pflichtschlagenden Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) und schlägt zu diesen Zweck Mensuren an verschiedenen Hochschulorten Deutschlands.
Obwohl heute noch einige Verbindungen (vorwiegend in der Deutschen Burschenschaft) aufgrund ihrer „Verbundenheit mit dem deutschen Volk“ nur ethnische Deutsche als Mitglieder aufnehmen, hatten die meisten Verbindungen – teilweise schon seit dem 19. Jahrhundert – ganz selbstverständlich auch ausländische Mitglieder. Aufgrund der Globalisierung nimmt der Trend natürlich zu. Heute gibt es „deutsche“ Verbindungsstudenten nicht nur aus fast allen Ländern Europas und verschiedenen Teilen Amerikas, sondern auch aus Asien und Afrika.