2.2. Die Urburschenschaft
Innerhalb der frühen Corps regten sich bald Bestrebungen, die landsmannschaftliche Gliederung der Studenten an den Universitäten abzuschaffen und alle Studenten („Burschen“) in einer einheitlichen „Burschenschaft“ zusammenzuführen. Auch in der Politik sollte die Kleinstaaterei zugunsten eines vereinten Deutschlands abgeschafft werden. Protagonisten dieser Ideen waren zum Beispiel „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte und Jakob Friedrich Fries.
Schon kurz nach den Befreiungskriegen gründete sich am 1. November 1814 in Halle (Saale) eine Teutonia, die noch stark in den landsmannschaftlichen Traditionen der frühen Corps verwurzelt war. Sie verwendete zwar noch nicht die Bezeichnung „Burschenschaft“, verfolgte aber schon ähnliche Ziele und stellte sich bereits gegen den Senioren-Convent (SC) der Corps. Aus ihr entwickelte sich in den kommenden Jahren die „teutonische Bewegung“, die zur Gründung ähnlicher Zusammenschlüsse an anderen deutschen Universitäten führte. Diese Verbindungen wandelten sich aber im Laufe der Zeit wieder in Corps um und traten dem jeweiligen SC bei.
In Jena hatten im August 1814 die zurückgekehrten Freiwilligen der Befreiungskriege eine „Wehrschaft“ gebildet, die sich im Gebrauch der Waffen übte. Ihre Angehörige waren Mitglieder der verschiedensten ortsansässigen Corps, die sich damals teilweise noch „Landsmannschaft“ nannten. Die treibende Kraft für die Gründung einer allgemeinen Verbindung, einer „Burschenschaft“, war die „Landsmannschaft“ Vandalia. Nach teils heftigen Auseinandersetzungen mit den anderen „Landsmannschaften“ beschloß der Senioren-Convent am 29. Mai 1815 seine Auflösung und am 12. Juni gingen schließlich alle in Jena bestehenden „Landsmannschaften“ in der ersten Burschenschaft – der Urburschenschaft – auf. Der burschenschaftliche Gedanke griff dann von Jena ausgehend schnell um sich.
Die Bewegung breitete sich bald im gesamten deutschen Raum aus und stellte sich in Gegensatz zu den frühen Corps und ihren SCs, die bis dahin die Gesamtvertretung für die Studenten einer Universität beanspruchten. Bei einem Treffen von etwa 500 Studenten auf der Wartburg am 18. Oktober 1817 (dem Jahrestag der Reformation und Völkerschlacht bei Leipzig) gründete sich die Allgemeine Deutsche Burschenschaft, die ein deutschlandweiter, burschenschaftlicher Zusammenschluss aller Studenten sein sollte. Während der Zusammenkunft kam es auch zu einer ursprünglich nicht geplanten Verbrennung von symbolbeladenen Gegenständen und von Büchern durch eine Gruppe besonders radikaler Studenten. Verbrannt wurden zum Beispiel ein Perückenzopf als Symbol der alten Feudalherrschaft und ein Korporalsstab als Symbol unkontrollierter staatlicher Gewalt. Vernichtet wurden aber auch Bücher, die als „reaktionär“, „antinational“ oder „undeutsch“ eingestuft wurden (unter anderem Werke von August von Kotzebue, Karl Leberecht Immermann, die „Germanomanie“ des jüdischen Schriftstellers Saul Ascher, sowie der Code Napoléon). Heinrich Heine kommentierte das mit dem bekannt gewordenen Satz: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende gar auch Menschen.“