Warum Hambach?
Hambach war auch eine Apotheose der Burschenschaft, vor allem der Heidelberger, die sich vorrangig aus der Pfalz rekrutierte. Aber warum ausgerechnet Hambach? Die ehemalige Kurpfalz, regiert von Wittelsbachern, war seit Mitte der 1790er Jahre teilweise von französischen Truppen besetzt und fiel 1797 an die französische Republik. Die neue Obrigkeit war beeinflußt von den Idealen der Revolution von 1789, von „Liberté, Egalité, Fraternité!“, etablierte eine moderne Justiz, Verwaltung und Gesetzgebung, Schwurgerichte und Gewerbefreiheit, beseitigte die Ständeordnung, trennte Kirche und Staat und gewährte einige Freiheitsrechte. Die Aushebungen für die napoleonische Armee waren zwar wenig beliebt aber schnell vergessen, als der Wiener Kongreß die Pfalz 1815 dem Königreich Bayern zuschlug. Das französische Verwaltungs- und Justizsystem blieb bestehen, die Regierung beschnitt aber mehr und mehr die bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Sehr hohe Steuern und ein drückendes Zollsystem, das vor allem den Weinbau belastete, begleitet von Mißernten und Hunger, zogen wirtschaftliche Not und politische Unzufriedenheit nach sich. Dies zumal, wenn man sich der Zeit der französischen Herrschaft erinnerte. In der Pfalz hatte man schon einmal Trikoloren gehißt und Freiheitsbäume aufgepflanzt.
Die Julirevolution 1830 in Paris gab allen Unzufriedenen Auftrieb, was „die Gärung bis zum kochenden Sud steigerte“, wie der ehemalige Bonner und Göttinger Burschenschafter Heinrich Heine schrieb. Zugleich erhoben sich die Polen erfolglos gegen die russische Herrschaft, was eine Welle der Polenbegeisterung auslöste und als Erbe die studentische Pekesche hinterließ. Dabei wurde übersehen, daß nur die Oberschicht den Kampf aufnahm und polnische Freiheit vor allem im Sinne der alten Adelsrepublik interpretierte. Um die sechstausend Polen gingen nach dem gescheiterten Aufstand ins Exil, in Deutschland vielfach durch eigens gegründete Polenvereine unterstützt, in denen zahlreiche Burschenschafter mitwirkten. Die Regierungen reagierten repressiv und suchten die freiheitlichen Bestrebungen zu unterbinden. Dazu gehörte in Bayern und der Pfalz in erster Linie die Beschneidung der Pressefreiheit, die Durchsetzung von Zensur und Druckverboten. Liberale Bürger gründeten deshalb 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der nicht nur als Unterstützung einer freien Presse konzipiert war, „sondern als Kristallisationskern für eine politische Umgestaltung Deutschlands“. Er war der erste Vorläufer politischer Parteien, zählte in kürzester Zeit über fünftausend Mitglieder bis nach Mitteldeutschland und wurde maßgeblich von Burschenschaftern beeinflußt, so etwa Rudolf Lohbauer (1802-1873), Herausgeber des „Hochwächters“, des „Organs der württembergischen Freiheitsmänner“, Gustav Eduard Kolb (1798-1865) von der „Speyerer Zeitung“, der später die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ zur bedeutendsten in Deutschland machte, Johann Gottfried Eisenmann (1795-1867), Herausgeber des „Bayerischen Volksblattes“ in Würzburg und bereits Teilnehmer am Wartburgfest, Karl August Mebold (1798-1854) von der „Deutschen Zeitung“ in Stuttgart, Karl Mathy (1807-1868) und sein Schwager und Bundesbruder Franz Joseph Stromeyer (1805-1848) vom „Wächter am Rhein“ in Karlsruhe bzw. vom „Freisinnigen“ in Freiburg, und Johann Adam Förster (1796-1890), der in Fulda das „Teutsche Volksblatt. Eine konstitutionelle Zeitschrift für Volks- und Staatsleben“ herausgab. Geführt wurde der Preßverein von zwei bekannten Liberalen, vom Journalisten, Publizisten und ehemaligen Verwaltungsjuristen Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und von Johann Georg August Wirth (1798-1848), der während seines Studiums in Erlangen zunächst der Landsmannschaft Franconia angehörte und 1817 Mitgründer der Burschenschaft war, insgeheim aber auf die Gründung der Landsmannschaft der Franken – das spätere Corps Franconia – hinarbeitete, deren erster Senior er wurde. Wirth entwickelte sich zu einem scharfen Gegner der Burschenschaft, arbeitete als Anwalt, Journalist und Redakteur. Bekannt wurde er durch seine liberale Zeitung, die an wechselnden Orten in der Pfalz erscheinende „Deutsche Tribüne“, die er gemeinsam mit dem Jenaer, Göttinger und Heidelberger Burschenschafter Karl Georg Heinrich Fein (1803-1869) herausgab.